RW Wie verhalte ich mich sicher in Gewaltsituationen?đ
Audioversion abspielen:
Ein verletzter, alkoholisierter Mann schlĂ€gt in der Notaufnahme um sich, eine Frau muss im Restaurant lange warten und beschimpft lautstark die Kellnerin, ein Dieb bedroht eine Kassiererin mit der Waffe. BeschĂ€ftigte erfahren bei der Arbeit unterschiedliche Formen von Gewalt. Wie können sie sich auf solche Situationen vorbereiten und im besten Fall dazu beitragen, dass ein Konflikt nicht eskaliert und sie sicher und gesund eine gefĂ€hrliche Situation ĂŒberstehen? Die gesetzliche Unfallversicherung gibt Hinweise zu sicherem Verhalten.
Jede Situation ist anders und erfordert ein angepasstes Reagieren. Hilfreich fĂŒr die EinschĂ€tzung von Gewaltsituationen ist die "Stufenpyramide zur GewaltprĂ€vention" (siehe unten). Sie gliedert Gewaltereignisse in vier Stufen und ordnet diesen Stufen entsprechende PrĂ€ventionsmaĂnahmen und Verhaltensempfehlungen zu. Die Pyramide hilft zu unterscheiden zwischen Situationen, in denen Deeskalation helfen kann und solchen, in denen die Eigensicherung im Vordergrund stehen muss.
Konflikte können mit verbalen Angriffen oder Beleidigungen enden. Meist stehen die angreifenden Personen unter Stress. Sie sehen keine Alternative mehr, um aus dem Konflikt ohne Gesichtsverlust wieder herauszukommen. Hier ist es wichtig, die Situation möglichst zu entschĂ€rfen. Der erste Schritt ist das Zuhören und Verstehen, um die Ursache fĂŒr das aggressive Verhalten zu erkennen. Die Person sollte freundlich angesprochen und ihr ein Ausweg aus der Situation angeboten werden. Deeskalierendes Verhalten spielt vor allem in impulsiven verbalen Gewaltsituationen eine entscheidende Rolle. Es hat zum Ziel, die akute Gefahrenlage zu entschĂ€rfen und den Stress der Beteiligten zu senken.
In Situationen mit körperlicher oder extremer Gewalt helfen Versuche der verbalen Deeskalation hingegen kaum mehr. Im Vordergrund steht hier der Schutz der eigenen und anderer Personen. "Gefahrensituationen können in vielen FĂ€llen frĂŒhzeitig erkannt werden", sagt Betty Willingstorfer, Leiterin des Sachgebiets Psyche und Gesundheit in der Arbeitswelt der DGUV. "Wir alle haben innere 'Antennen', die uns signalisieren, dass etwas nicht stimmt, zum Beispiel, wenn eine Person unruhig und getrieben wirkt. Dieses GefĂŒhl ist ein wichtiger Indikator, um wachsam zu sein, Hilfe zu holen und sich selbst in Sicherheit zu bringen."
Betriebe können die Gewaltpyramide auch fĂŒr ihre GefĂ€hrdungsbeurteilung nutzen. Mit Hilfe der Stufenpyramide sollten technische und organisatorische MaĂnahmen vor, wĂ€hrend und nach einem möglichen Gewaltereignis festgelegt werden. Ziel ist die grundsĂ€tzliche Verhinderung von Gewalt und die Sicherung der BeschĂ€ftigten. Je nach Gewaltstufe sollten auch Verhaltensregeln mit den BeschĂ€ftigten besprochen und eingeĂŒbt werden. Auch MaĂnahmen zur UnterstĂŒtzung von Betroffenen nach einem Ăbergriff sollten im Rahmen der GefĂ€hrdungsbeurteilung festgelegt werden.
Hier ein paar Tipps fĂŒr sicheres Verhalten nach dem Stufenmodell zur GewaltprĂ€vention:
Stufe 1: Kleine Streitigkeiten, kontroverse GesprÀchssituationen
- Zuhören
- VerstÀndnis zeigen
- HintergrĂŒnde erklĂ€ren
- nach Lösungen suchen, Alternativen anbieten
- ruhig und freundlich im GesprÀch bleiben
Stufe 2: Verbale Aggression, SachbeschÀdigung, unangepasstes Sozialverhalten
- aufrechte, offene Haltung annehmen
- ruhig und besonnen bleiben, ĂuĂerungen nicht persönlich nehmen
- selbstsicher kommunizieren und Grenzen setzen
- Aggressor / Aggressorin nicht provozieren oder anfassen
- Blickkontakt herstellen, im GesprÀch bleiben. Bei Bedarf dritte, neutrale Person zur Lösungsfindung hinzuziehen
Stufe 3: Handgreiflichkeiten, körperliche Gewalt
- Eigensicherung beachten!
- Sich bemerkbar machen, um Hilfe rufen
- andere Personen aus dem Umfeld um UnterstĂŒtzung bitten
- Der Person nicht den RĂŒcken zukehren
- Fluchtwege ausfindig machen, ggf. fliehen, sich in Sicherheit bringen
- Polizei rufen
- ggf. Strafanzeige erstatten und Unfallanzeige stellen
- psychologische Erstbetreuung der Betroffenen sicherstellen
Stufe 4: Einsatz von Waffen, Geiselnahme, Ăberfall und Amok
- Eigensicherung beachten!
- Ruhe bewahren und sachlich bleiben
- Den TÀter / die TÀterin höflich behandeln und aufmerksam zuhören
- Abstand halten
- Die Anweisungen des TĂ€ters / der TĂ€terin befolgen
- Keinen Widerstand leisten, nicht widersprechen und provozieren
- Keine Waffen oder Àhnliches (z.B. Pfefferspray) benutzen
- Die HĂ€nde gut sichtbar halten, um reflexartige Stresshandlungen des TĂ€ters / der TĂ€terin zu verhindern
- Eigene Handlungen und AktivitÀten mit Worten beschreiben
- Dem TĂ€ter / der TĂ€terin immer einen Fluchtweg offenhalten
- Wenn die Möglichkeit einer sicheren Flucht besteht, sich in Sicherheit bringen
- Strafanzeige erstatten und Unfallanzeige stellen
- psychologische Erstbetreuung der Betroffenen sicherstellen
Bei ĂberfĂ€llen:
- Ersatzware anbieten, wenn kein Geld vorhanden ist
- Ăberfallmeldeknopf erst nach Verschwinden des TĂ€ters / der TĂ€terin benutzen
- Nach Ende der Tat Polizei rufen
Berufsgenossenschaften und Unfallkassen unterstĂŒtzen Betriebe bei DeeskalationsmaĂnahmen und bieten Informationsmaterialien:
- Kampagne #GewaltAngehen
- PrĂ€vention von und Umgang mit Ăbergriffen auf EinsatzkrĂ€fte der Rettungsdienste und der Feuerwehr
- PrĂ€vention von Gewalt und Aggression im Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege - eine Handlungshilfe fĂŒr Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen
- Gegen Gewalt im Handel
- ĂberfĂ€llen vorbeugen - ĂberfĂ€lle unversehrt ĂŒberstehen
- Notfallpsychologie - UnterstĂŒtzung durch kollegiale psychologische Erstbetreuung
Hinweis:
Der vorstehende Text wurde aus der Pressemitteilung der DGUV entnommen.