Alkohol am Arbeitsplatz

RW Alkohol am Arbeitsplatz

Relevanz

Alkoholkonsum ist in Deutschland als Genussmittel weit verbreitet und gesellschaftlich oft akzeptiert. Allerdings nehmen 21,9 % der Alkoholkonsumentinnen und -konsumenten in der Altersgruppe der 18–64-jährigen Alkohol in riskanten Mengen zu sich. 17,6 % weisen sogar einen problematischen Alkoholkonsum auf. Man spricht von Alkoholmissbrauch, wenn eine Person so viel oder so häufig Alkohol konsumiert, dass dieser Konsum negative gesundheitliche und/oder soziale Auswirkungen hervorruft. Eine Alkoholabhängigkeit ist zusätzlich durch einen Kontrollverlust und ein starkes Verlangen nach Alkohol gekennzeichnet. Die Alkoholabhängigkeit ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die viel persönliches Leid verursachen kann. Neben zahlreichen gesundheitlichen Folgen, wie Lebererkrankungen, Schädigungen des Gehirns, Krebserkrankungen oder Bluthochdruck, kann sich Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit auch negativ auf das soziale Leben auswirken.

Rechtliche Aspekte

Unternehmer dürfen Beschäftigte, die erkennbar nicht in der Lage sind, ihre Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen (DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“, §7 Abs. 2). Die Führungskraft muss nach ihrem subjektiven Eindruck entscheiden, ob eine beschäftigte Person weiterarbeiten kann. Sie muss handeln, wenn die betroffene Person ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht mehr hinreichend erfüllen kann.

Gefährdungsbeurteilung 

Problematischer Alkoholkonsum kann u. a. durch Belastungen bei der Arbeit beeinflusst werden. Menschen entwickeln sehr unterschiedliche Strategien mit Belastungen umzugehen. Daher ist es wichtig, bereits bei den Arbeitsbedingungen anzuknüpfen und dafür zu sorgen, dass die Arbeit so gestaltet ist, dass eine Gefährdung für die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird. Die gesetzlich vorgeschriebene Beurteilung der Arbeitsbedingungen (§ 5 ArbSchG) ist daher ein wichtiges Element einer wirkungsvollen Suchtprävention.

Arbeitsbedingungen, die zu einem problematischen Suchtmittelkonsum beitragen können, sind z. B.:

  • Schichtarbeit, Nachtarbeit, überlange Arbeitszeiten, Alleinarbeit/Einzelarbeit
  • Unterforderung, z. B. durch Monotonie, fehlende Handlungs- und Entscheidungsspielräume, Überqualifikation
  • Überforderung, z. B. durch Informationsüberflutung, Multitasking, hohe Arbeitsdichte, Zeitdruck, ungenügende Qualifikation
  • Belastendes Betriebsklima, z. B. Konflikte im Team und/oder mit Führungskräften, fehlende soziale Unterstützung, mangelnde Wertschätzung
  • Unklare Strukturen, Zuständigkeiten und Anweisungen

Präventive Maßnahmen

  • Fähigkeiten zur Stressbewältigung und zum Konfliktmanagement stärken
  • Unterweisung zum Suchtmittelkonsum und den Auswirkungen auf das sichere Arbeiten durchführen
  • Führungskräfte, Arbeitnehmervertretungen, Suchtbeauftragte oder andere Beteiligte zum Umgang mit dem Thema „Sucht und Suchtmittelmissbrauch“ am Arbeitsplatz sowie zur richtigen Ansprache von Betroffenen qualifizieren
  • Seminare/Kurse zum Konsumverzicht oder zur Konsumreduzierung anbieten
  • Betriebs-/Dienstvereinbarung zum Umgang mit Suchtmitteln am Arbeitsplatz abschließen (siehe DGUV Information 206-009, Suchtprävention in der Arbeitswelt, Ziffer 9.2)
  • Organisationsspezifische Handlungsanleitung und Regeln festlegen (z. B. klären, wie mit Alkohol bei Firmenfeiern umgegangen wird, Alkoholkonsum und Substanzmissbrauch am Arbeitsplatz verbieten, Punktnüchternheit festlegen)
  • Interventionskette bei Auffälligkeiten vorab festlegen, z. B. in Form eines Stufenplans
  • Suchtprävention z. B. in das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) einbinden oder regelmäßig im Arbeitsschutzausschuss (ASA) aufgreifen
  • Einbindung von Betriebsärztinnen und -ärzten, Betriebs- oder Personalräten, Fachkräften für Arbeitssicherheit oder Suchtbeauftragten
  • Externe Expertise und Unterstützung, z. B. bei Suchtberatungsstellen oder bei den Sozialversicherungsträgern, einholen
  • Das Thema „Sucht“ enttabuisieren – nicht wegsehen
  • Informationsveranstaltungen, Aufklärungskampagnen oder Aktionstage durchführen
  • Das Gespräch im Team suchen und den Umgang mit Suchtmitteln aktiv ansprechen
  • Gemeinsame Lösungen mit den Beschäftigten finden (Anhörung und Einbeziehung der Beschäftigten)
 

Intervention der Führungskraft bei Alkoholmissbrauch

Bewährt haben sich betriebliche Regelungen, wie z. B. Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zum Thema „Suchtprävention und Suchthilfe“, die im Vorfeld festgelegt wurden (siehe DGUV Information 206-009, Suchtprävention in der Arbeitswelt, Ziffer 9.2).

Sie setzen einen verlässlichen Rahmen und verleihen der Führungskraft Handlungssicherheit im Akutfall. Diese geben vor, wie der Umgang mit betroffenen Beschäftigten zu erfolgen hat.

Bewährt hat sich das Vorgehen nach einem Stufen- oder Eskalationsplan (siehe DGUV Information 206-009, Suchtprävention in der Arbeitswelt, Ziffer 7.6).

Bei der Umsetzung dieses Plans sollten weitere Personen hinzugezogen werden, z. B. Betriebsärztinnen und -ärzte, Suchtbeauftragte oder die Sozialberatung. Selbst beobachtete Versäumnisse und Auffälligkeiten sollten dokumentiert werden. Es empfiehlt sich zusätzlich zur eigenen Wahrnehmung von auffälligem Verhalten eine zweite Meinung einzuholen.

Auch wenn die Gründe für das Fehlverhalten nicht klar erkennbar sind, muss die Führungskraft im Interesse von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit handeln. In jedem Fall empfiehlt es sich, Beschäftigte anzusprechen, wenn ein auffälliges Verhalten oder eine „Alkoholfahne“ wahrnehmbar sind. Im Einzelfall können auch schon geringe Alkoholmengen das Arbeits- und Sozialverhalten beeinträchtigen. Betroffene sind dann unter Umständen nicht mehr in der Lage, sicher und korrekt zu arbeiten. Bei offensichtlichen Veränderungen im Auftreten und Verhalten infolge einer Alkoholisierung darf die betroffene Person auf keinen Fall weiterarbeiten. Die Führungskraft muss für einen sicheren Nachhauseweg sorgen, z. B. indem für die betroffene Person ein Taxi gerufen oder Angehörige kontaktiert werden. Nach einem solchen auffälligem Verhalten sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt, idealerweise am folgenden Arbeitstag, mit der betroffenen Person ein klärendes, vertrauliches Vier-Augen-Gespräch geführt werden (Hinweise zur Gesprächsführung mit Betroffenen siehe DGUV Information 206-054, Ziffer 4).

Wiedereingliederung von erkrankten Beschäftigten

Wenn betroffene Mitarbeitende von einem Krankenhausaufenthalt oder einer Entwöhnungsbehandlung zurückkommen, ist für eine geregelte Wiedereingliederung zu sorgen, um möglichen Hindernissen vorzubeugen. Bei der Wiederaufnahme der Tätigkeit sollte mit der Person ein persönliches Gespräch geführt werden. Dieses kann in ein BEM-Verfahren (BEM: Betriebliches Eingliederungsmanagement) eingebettet sein. Dabei sollten folgende Aspekte unter Einbeziehung der betroffenen Person erörtert werden:

  • Kann sie oder er alle Tätigkeiten am bisherigen Arbeitsplatz wieder ausführen oder sind Änderungen notwendig?
  • Ist ein neues Arbeitsumfeld hilfreich?
  • Gibt es konkrete Vorschläge der behandelnden Ärztinnen und Ärzte zur Wiedereingliederung?
  • Wie kann möglicherweise verlorengegangenes Vertrauen wiederaufgebaut werden?
  • Welche vertrauensbildenden Maßnahmen sind sinnvoll, z. B. regelmäßige Gespräche mit der Führungskraft?
  • Sind flexible Arbeitszeitregelungen möglich, z. B. wenn Betroffene Nachsorge und Selbsthilfegruppen in Anspruch nehmen wollen?
  • Ist für die Rückkehr an den Arbeitsplatz eine Wiedereingliederung nach dem Hamburger-Modell sinnvoll, d. h. verkürzte Arbeitszeit in den ersten Wochen bei formalfortbestehender Arbeitsunfähigkeit?
  • Haben sich im Arbeitsumfeld der betroffenen Person betriebliche Änderungen ergeben?
  • Wie offen möchte die betroffene Person mit der Suchtproblematik im Betrieb umgehen?
  • Wie können die Arbeitskolleginnen und –kollegen auf die Rückkehr der oder des Beschäftigten vorbereitet werden?

Wichtig nach der Rückkehr sind regelmäßige Kurzgespräche mit der betroffenen Person, um gemeinsam zu erörtern, ob die getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden, wie sich die Person wieder in den Arbeitsalltag integriert hat und wie sie mit den Anforderungen des Arbeitsplatzes zurechtkommt.

Hinweis:
Der vorstehende Text basiert in Teilen auf der DGUV Information 206-054, Umgang mit Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit bei der Arbeit.

Stand: 06/2024
Webcode: w218