RW Arbeitsmedizinische Vorsorge
Die arbeitsmedizinische Vorsorge gehört zu den betrieblichen Präventionsmaßnahmen im Betrieb. Sie dient der Früherkennung arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen sowie der Feststellung, ob bei der Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung besteht. Die Vorsorge beinhaltet ein ärztliches Beratungsgespräch sowie körperliche oder klinische Untersuchungen. Der oder die Beschäftigte kann diese Untersuchungen ablehnen. Erkenntnisse aus der Vorsorge können für die Gefährdungsbeurteilung und für sonstige Maßnahmen des Arbeitsschutzes genutzt werden. Impfungen sind als Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge den Beschäftigten anzubieten, soweit das Risiko einer Infektion tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist. Die Vorsorge umfasst nicht den Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen.
Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) unterscheidet drei Kategorien der Vorsorge:
- Pflichtvorsorge
- Angebotsvorsorge
- Wunschvorsorge
Die Pflichtvorsorge ist eine arbeitsmedizinische Vorsorge, die der Arbeitgeber bei bestimmten besonders gefährdenden Tätigkeiten zu veranlassen hat. Diese Tätigkeiten sind im Anhang der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge konkret aufgeführt. Der Arbeitgeber darf eine Tätigkeit nur ausüben lassen, wenn zuvor eine Pflichtvorsorge durchgeführt worden ist. Dies führt dazu, dass Beschäftigte verpflichtet sind, an dem Vorsorgetermin teilzunehmen. Wird die Pflichtvorsorge nicht oder nicht rechtzeitig vom Arbeitgeber veranlasst, droht diesem ein Bußgeld und unter bestimmten Umständen sogar eine Strafe (siehe § 10 ArbmedVV).
Die Angebotsvorsorge ist eine arbeitsmedizinische Vorsorge, die der Arbeitgeber den Beschäftigten bei bestimmten gefährdenden Tätigkeiten anzubieten hat. Diese Tätigkeiten sind ebenfalls im Anhang der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge konkret aufgeführt. Wird eine Angebotsvorsorge nicht oder nicht rechtzeitig angeboten, kann dies wie oben geahndet werden. Der/die Beschäftigte kann das Angebot der arbeitsmedizinischen Vorsorge ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen ablehnen.
Die Wunschvorsorge ist eine arbeitsmedizinische Vorsorge, die bei Tätigkeiten, bei denen ein Gesundheitsschaden nicht ausgeschlossen werden kann, auf Wunsch des oder der Beschäftigten ermöglicht werden muss.
Eine Angebots- oder Pflichtvorsorge der Beschäftigten im Rettungsdienst ist entsprechend der Gefährdungsbeurteilung vom Arbeitgeber zu veranlassen, beispielsweise bei:
- Feuchtarbeit gemäß Ziff. 3.3.6 TRGS 401, Technische Regeln Gefahrstoffe
- Infektionsgefahren im Sinne des Anhangs der ArbMedVV Teil 2
- Rückenbelastenden Tätigkeiten gemäß AMR 13.2. (Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System) Arbeitsmedizinische Regeln (AMR)
Feuchtarbeit
Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln, ob die Kriterien für Feuchtarbeit gemäß Ziff. 3.3.6 TRGS 401 vorliegen. Bei Feuchtarbeit von mehr als zwei Stunden pro Tag gemäß Ziff. 7 (2) Nr. 2 TRGS 401 ist eine Angebotsvorsorge und bei mehr als vier Stunden Feuchtarbeit gemäß Ziffer 7 (2) Nr. 1 TRGS 401 eine Pflichtvorsorge erforderlich.
Angebotsvorsorge
Bei Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als zwei Stunden je Tag: Das entspricht einer tätigkeitsbedingten Exposition durch:
- Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten von regelmäßig mehr als zwei Stunden und weniger als vier Stunden pro Arbeitstag oder
- Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten und im häufigen Wechsel Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen (mehr als 10 Mal und bis zu 20 Mal pro Arbeitstag) oder
- Waschen der Hände von mindestens 15 Mal und weniger als 25 Mal pro Arbeitstag oder
- Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen und im häufigen Wechsel mit Waschen der Hände (mehr als 5 Mal und bis zu 10 Mal pro Arbeitstag).
Pflichtvorsorge
Bei Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als vier Stunden je Tag. Das entspricht einer tätigkeitsbedingten Exposition durch:
- Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten von regelmäßig vier Stunden oder mehr pro Arbeitstag oder
- Hautkontakt mit Wasser oder wässrigen Flüssigkeiten und im häufigen Wechsel Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen (mehr als 20 Mal pro Arbeitstag) oder
- Waschen der Hände von mindestens 25 Mal pro Arbeitstag oder Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen und im häufigen Wechsel mit Waschen der Hände (mehr als 10 Mal pro Arbeitstag)
Hinweise:
Das ausschließliche Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen ist keine Feuchtarbeit.
Bei einer zwingenden Kombination von Händewaschen und Händedesinfektion im Wechsel mit dem Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen kann es bereits bei einer geringeren Waschfrequenz zu Feuchtarbeit kommen.
Bei der Anwendung von reibekörper- oder lösemittelhaltigen Hautreinigungsmitteln kann es bereits bei einer geringeren Waschfrequenz tätigkeitsbedingt zu Schädigungen der Hautbarriere und damit zu Feuchtarbeit kommen.
Infektionsgefahren
Wenn z. B. Tätigkeiten ausgeführt werden, bei denen es regelmäßig und in größerem Umfang zu Kontakt mit Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder -gewebe kommen kann, muss der Arbeitgeber nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge vor Beginn der Tätigkeit eine arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge auf Hepatitis B und C veranlassen. Eine Immunisierung gegen impfpräventable Erkrankungen (z. B. Hepatitis B) ist kostenlos anzubieten, soweit das Risiko einer Infektion tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist. Aktuelle Informationen über empfohlene Impfungen stellt das Robert Koch-Institut (RKI) im Internet in der Rubrik „Impfen“ bereit. Die Beschäftigten können aus persönlichen Gründen eine Impfung verweigern. Der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht auch dann in vollem Umfang.
Rückenbelastende Tätigkeiten
Belastungshöhe bzw. Intensität und Dauer der unterschiedlichen Arten körperlicher Belastung stehen in direktem Zusammenhang zur Wahrscheinlichkeit körperlicher Überbeanspruchung und dem Risiko für das Auftreten unerwünschter gesundheitlicher Folgen. Nach der Intensität und Dauer der körperlichen Belastungen werden daher aufsteigend vier Risikobereiche mit geringer, mäßig erhöhter, wesentlich erhöhter und hoher Belastungshöhe differenziert.
Zu körperlichen Belastungsarten im Sinne der AMR 13.2 gehören:
- Manuelles Heben, Halten und Tragen von Lasten
- Manuelles Ziehen und Schieben von Lasten
- Manuelle Arbeitsprozesse
- Ganzkörperkräfte
- Körperzwangshaltungen
Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung für die oben beschriebenen Belastungsarten mit einem Beurteilungsverfahren, dem das vierstufige Risikokonzept der AMR 13.2 zugrunde liegt, zu prüfen, ob Beschäftigte Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen ausüben.
Erster Schritt kann ein Grobscreening sein, das auf Grundlage der in der AMR 13.2 formulierten Belastungsarten und des Risikokonzepts basiert. Hierzu eignen sich das Grobscreeningverfahren „Basis-Check und Einstiegsscreening bei körperlichen Belastungen.“ Weitere Hilfen für die Erstellung der Gefährdungsbeurteilung sind zum Beispiel spezifische Screening Methoden, wie die Leitmerkmalmethoden der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
Bei Einstufung in den Risikobereich 1-2, Belastungshöhe gering bis mäßig erhöht, hat der Arbeitgeber eine Angebotsvorsorge zu ermöglichen.
Bei Einstufung in den Risikobereich 3-4, Belastungshöhe wesentlich erhöht bis hoch, hat der Arbeitgeber eine Pflichtvorsorge zu ermöglichen (siehe Anhang AMR 13.2 Risikobereiche für alle körperlichen Belastungsarten).
Der Arbeitgeber hat die Untersuchungen so zu organisieren, dass sie fristgerecht veranlasst, angeboten oder ermöglicht werden. Erstuntersuchung und Nachuntersuchungen sind in regelmäßigen Abständen durchzuführen. Die Vorsorgefristen sind gemäß AMR 2.1 „Fristen für die Veranlassung/das Angebot arbeitsmedizinischer Vorsorge“ durchzuführen.
Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist während der Arbeitszeit durchzuführen. Sie soll nicht zusammen mit Untersuchungen, die dem Nachweis der gesundheitlichen Eignung für berufliche Anforderungen dienen, durchgeführt werden, es sei denn, betriebliche Gründe erfordern dies. In diesem Fall hat der Arbeitgeber den Arzt oder die Ärztin zu verpflichten, die unterschiedlichen Zwecke von arbeitsmedizinischer Vorsorge und Eignungsuntersuchung gegenüber dem oder der Beschäftigten offenzulegen. ArbmedVV § 3 (3)
Das Untersuchungsergebnis der Vorsorge unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht. Der Arbeitgeber erhält lediglich eine Vorsorgebescheinigung darüber, dass, wann und aus welchem Anlass ein arbeitsmedizinischer Vorsorgetermin stattgefunden hat und wann eine weitere arbeitsmedizinische Vorsorge aus ärztlicher Sicht angezeigt ist (siehe „Arbeitsmedizinische Prävention – Fragen und Antworten“ des Ausschusses für Arbeitsmedizin (AfAMed) FAQ Nummer 1.18).
Ferner muss der Arzt/die Ärztin dem Arbeitgeber Maßnahmen des Arbeitsschutzes vorschlagen, wenn diese nicht ausreichen. Darüber hinaus darf der Arzt/die Ärztin keine Auskünfte an den Arbeitgeber oder andere Dritte geben, beispielsweise zu Befunden oder Diagnosen, es sei denn, dass der/die Beschäftigte dies im Einzelfall ausdrücklich wünscht (siehe „Arbeitsmedizinische Prävention – Fragen und Antworten“ des Ausschusses für Arbeitsmedizin (AfAMed) FAQ Nummer 1.29).
Der Arbeitgeber hat eine Vorsorgekartei zu führen mit Angaben über den Anlass und das Datum der durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorge. Die Angaben sind bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aufzubewahren und anschließend zu löschen.
Für weitergehende Fragen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge können Sie in der Schrift „Arbeitsmedizinische Prävention – Fragen und Antworten“ des Ausschusses für Arbeitsmedizin (AfAMed) weitere Hinweise finden.
Eignungsuntersuchung im Rettungsdienst
Eignungsuntersuchungen sind kein Gegenstand der arbeitsmedizinischen Vorsorge gemäß ArbMedVV und erfordern eine andere Rechtsgrundlage außerhalb des Arbeitsschutzes (AMR 3.3 Ziffer 8 (3)). Eine Eignungsuntersuchung ist zulässig, wenn ihre Durchführung in einer speziellen Rechtsvorschrift auf gesetzlicher Grundlage ausdrücklich vorgeschrieben ist. Dafür hat der Gesetz- und Verordnungsgeber in Bezug auf bestimmte Personengruppen und Arbeitsbereiche, in denen eine besondere Verantwortung für Dritte zu tragen ist, die rechtliche Grundlage geschaffen, z. B. für Pilotinnen und Piloten, Busfahrerinnen und -fahrer, Triebfahrzeugführerinnen und -führer oder Rettungsdienstkräfte.
In Abgrenzung zu Untersuchungen, die im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge erfolgen, sind Eignungsuntersuchungen solche, die mehr im Interesse des Unternehmers (Kommune, Arbeitgeber) liegen oder zum Schutz Dritter erfolgen, um die körperlichen oder psychomentalen Fähigkeiten einer Einsatzkraft zur Durchführung bestimmter Tätigkeiten feststellen zu können. Die gesetzliche Grundlage für die Eignungsuntersuchungen im Rettungsdienst ist das Rettungsgesetz NRW (RettG). Dort wird in § 4 (2) gefordert, dass die gesundheitliche und körperliche Eignung aufgrund einer ärztlichen Untersuchung durch ein ärztliches Zeugnis vor Aufnahme der Tätigkeit nachzuweisen ist. Die ärztliche Untersuchung ist alle drei Jahre zu wiederholen.