Psychische Belastungsfaktoren🔈

RW Psychische Belastungsfaktoren🔈

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Psychische Erkrankungen sind in den letzten Jahren immer häufiger der Grund für Krankschreibungen und krankheitsbedingte Frühberentungen. Trotz rückläufiger Krankenstände in den letzten Jahren wächst der relative Anteil psychischer Erkrankungen am Arbeitsunfähigkeitsgeschehen. Er kletterte in den vergangenen 40 Jahren von zwei Prozent auf 16,6 Prozent (BKK Gesundheitsreport, 2018).

Aber auch unabhängig von Fehlzeiten wirken sich psychische Belastungen auf die Gesundheit und auf die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten aus.

In der Gefährdungsbeurteilung werden psychische Belastungsfaktoren oft vernachlässigt. Dies liegt zum einen möglicherweise daran, dass die Gefährdungen sich nicht einfach ermitteln lassen, da die Beanspruchung durch psychische Belastungsfaktoren individuell sehr unterschiedlich ist. Auch die Schutzmaßnahmen sind komplex und vielschichtig und in der Umsetzung aufwendiger als etwa der Schutz vor Infektionsgefahren. Gleichwohl muss auch diese Gefährdungsart angemessen in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden, vor allem im Interesse des Unternehmens selbst.

Was sind maßgebliche psychische Belastungsfaktoren?

Die Tätigkeit selbst kann belastend wirken, etwa wenn

  • die Beschäftigten nicht ausreichend qualifiziert sind
  • die Arbeitsmenge in der vorgegebenen Zeit nicht zu bewältigen ist
  • die Aufgaben ungleich auf die Beschäftigten verteilt sind
  • die Beschäftigten bei der Aufgabenerfüllung keinen oder wenig Handlungs- und Entscheidungsspielraum haben
  • der Sinn einer Tätigkeit von den Beschäftigten nicht nachvollzogen werden kann

Auch die Arbeitsumgebung und die Arbeitsbedingungen können belastend sein oder verstärkend wirken, etwa wenn

  • die Arbeit häufig unterbrochen werden muss
  • Lärm, schlechtes Licht, ungünstige Klimabedingungen oder räumliche Enge die Arbeit erschweren
  • Pausen nicht in Anspruch genommen werden können
  • häufig Überstunden anfallen
  • die Beschäftigten häufig aus der Freizeit (Wochenende, Urlaub) geholt werden
  • benötigte Arbeitsmittel, Hilfsmittel und Schutzausrüstungen fehlen
  • den Beschäftigten Informationen fehlen, die sie zur Bewältigung ihrer Aufgaben benötigen

Großen Einfluss haben in diesem Zusammenhang auch die sozialen Beziehungen. Ungünstig auf das psychische und soziale Wohlbefinden wirkt es sich aus, wenn


  • die und der Einzelne vom Team oder vom Vorgesetzten nicht unterstützt wird
  • die Beschäftigten bei Entscheidungen sowie bei der Arbeitsplanung und -gestaltung keine Mitsprachemöglichkeit haben
  • das Verhältnis unter den Beschäftigten oder zum Vorgesetzten oft gereizt ist
  • es an Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung im Team fehlt
  • häufig Konflikte auftreten (intern/extern)
  • berufliche Entwicklungsmöglichkeiten fehlen
  • das Führungsverhalten wenig mitarbeiterorientiert ist

Viele dieser Belastungsfaktoren erscheinen auf den ersten Blick harmlos. Es ist die Summe der Belastungen, die zu einer psychischen Fehlbelastung und zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. Daher ist es durchaus lohnenswert, einzelne Belastungsfaktoren zu reduzieren, um damit die Gesamtbelastung für die Beschäftigten in verträglichen Grenzen zu halten.


Analyseverfahren für psychische Belastungen

Viele Belastungsfaktoren lassen sich durch Beobachtung ermitteln. So kann z. B. die Häufigkeit von Überstunden leicht beurteilt werden. Auch häufige Arbeitsunterbrechungen oder fehlende bzw. nicht ausreichende Arbeitsmittel, wie beispielsweise Computerarbeitsplätze zur Pflegedokumentation, sind schnell ausgemacht. Hier können schnell erste Lösungsansätze entwickelt und umgesetzt werden.

Für eine Analyse und Beurteilung der Belastungssituation insgesamt eignen sich Mitarbeiterbefragungen. Mitarbeiterbefragungen lassen erkennen, wo Belastungsschwerpunkte liegen und somit Maßnahmen am dringlichsten sind.

Die Unfallversicherungsträger, aber auch andere professionelle Anbieter bieten Befragungsinstrumente an, mit denen gezielt die psychischen Belastungen ermittelt werden können. Je nach Umfang des Angebotes werden nach der Analyse bereits Handlungsempfehlungen gegeben.

Andere Erfolg versprechende Methoden sind die moderierte Gefährdungsbeurteilung sowie die Arbeitssituationsanalyse, die sich im Ansatz sehr ähneln.

Dabei geht es darum, mithilfe einer Moderatorin bzw. eines Moderators innerhalb einer homogenen Gruppe von Beschäftigten gemeinschaftlich die wesentlichen Belastungs- und Gefährdungsfaktoren zu ermitteln. Der Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass die Beschäftigten aus ihrer Sicht benennen, wodurch sie sich belastet oder gefährdet sehen.

Hieraus ergibt sich ein realitätsnahes Belastungsbild aus der Sicht der Betroffenen. Wichtig bei dieser Methodik ist es, dass immer nur Beschäftigte einer Hierarchieebene (nur Führungskräfte, nur Rettungsassistenten usw.) an dem Workshop teilnehmen, weil sonst die erforderliche Offenheit nicht zustande kommt.

Das Verfahren ist auch geeignet, gemeinsam mit den Teilnehmern Lösungsansätze zu entwickeln. Hier kommt dem Unternehmen die Problemlösungskompetenz der Beschäftigten bezüglich ihres eigenen Arbeitsplatzes zugute. Voraussetzung ist, dass die Unternehmensleitung grundsätzlich bereit ist, die Vorschläge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu prüfen und möglichst auch umzusetzen.

Der große Vorteil dieser Methode ist neben dem partizipativen Ansatz die enorme Effizienz. Bereits innerhalb weniger Stunden können Probleme präzise analysiert und wirksame Verbesserungsmaßnahmen erarbeitet sein.

Stand: 09/2024
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